Automatische Vereinfachung von 3D-Modellen für die Layoutplanung

Nah am Digital Twin und doch vorbei – schwergewichtige 3D-CAD Daten

Behinderung 3D-Layoutplanung durch zu komplexe CAD-Daten

Sind Sie im Projekt auch manchmal genervt, wenn Sie doch wieder ein zu komplexes 3D-Modell als STEP, DWG oder OBJ in Ihr Layout laden müssen? Sie wissen schon das 500 MByte Ihr Fabriklayout nicht schlanker machen werden. Aber mit einer simplen Blockdarstellung locken Sie in der aktuellen Planungsphase auch keinen mehr hinter dem Ofen vor. Für die Beauftragung eines Dienstleisters ist es auch zu spät und das Budget dafür ist auch schon aufgebraucht. Ein Dilemma aus Zeitdruck und Kommunikationsproblemen entsteht. Gibt es doch eine Möglichkeit dieses Modell noch bis zum Termin auf 5 MByte zu bringen?

Genau das soll das Thema in diesem Artikel sein. Was sind praktische Lösungen zur radikalen und vor allem automatischen Vereinfachung von 3D-Daten für die Layoutplanung? Zum warum, finden Sie auch weitere Informationen im Blogartikel zum Umgang mit CAD-Daten. Die hier vorgestellten Lösungen sind ausgewählte Beispiele und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Inhalte werden zukünftig immer wieder aktualisiert.

Radikal einfach durch Remeshing statt Reduktion

Mit sogenannten Remesh- oder Shrinkwrap-Methoden ist es tatsächlich möglich die großen Datenmengen von 3D-CAD Modellen automatisch auf 1% oder sogar 0,1% der ursprünglichen Datenmenge zu bekommen. Die Zeitersparnis und sehr starke Reduktion wird aber auch mit Abstrichen in der Modellqualität erkauft. Das sollten Sie schon mal vorab wissen. Das ist aber sicher immer noch besser als gar kein 3D-Modell zur Hand zu haben, oder?

Prinzip des Remeshing komplexer 3D-CAD Modelle anhand Persenning eines Bootes
Prinzip des Remeshing eines komplexen 3D-Modells anhand des Persenning eines Bootes dargestellt

Vereinfacht gesagt versteht man unter Remeshing die Erzeugung eines völlig neuen Flächennetzes über einem sehr komplexen 3D-Modell. Die ursprüngliche Geometrie dient nur als Referenz für ein stark vereinfachten Hüllmodell. Vorstellbar als Persenning über dem Boot im Bild oben oder einer Schrumpfolie um Gemüse in der Frischeabteilung. Im Idealfall verschwinden dabei dann kleine Details, wie Bohrungen und Schrauben und auch innen liegende Teile eines CAD-Modells einer Fabrikausrüstung.

Beispiel Montagearbeitsplatz zur automatischen Vereinfachung von 3D-CAD

In der Praxis bedeutet das ein echter Remesh-Ansatz oft bis zu 99% und manchmal auch bis zu 99,9% Daten entfernen kann. Trotzdem wird das äußere Erscheinungsbild im erzeugten Hüllmodell einer Ausrüstung weitgehend erhalten. Folgend ein Beispiel eines komplexes Montagetisches der durch Remeshing innerhalb von 1-2 min stark vereinfacht wurde:

Beispiel automatische Vereinfachung von 3D komplexe CAD Daten eines Montagearbeitsplatzes
Beispiel Remeshing 3D-CAD Modell eines Montagearbeitsplatzes in Simplygon mit Textur-Atlas

Die offene und komplexe Struktur stellt prinzipiell den schwierigsten Fall dar. Gerade eine manuelle Vereinfachung ist häufig sehr zeitaufwändig, da es kaum innen liegende Teile gibt, die einfach entfernt werden können.

Die Aufstellfläche der Ausrüstung ist sehr gut erhalten. Es sind mit steigender Reduktion deutliche Abstriche in der Darstellungsqualität zu erkennen. Bemerkenswert ist auch die Reduktion der Anzahl der geometrischen Objekte von 350 auf eine Geometrie. Die Farbinformation erhält das Modell über den automatisch erzeugten Textur-Atlas:

Textur Atlas für Farbinformation im stark vereinfachten 3D-CAD Modell des Montageplatzes
Beispiel für Textur-Atlas als Farbinformation (Simplygon)

Das bewirkt letzten Endes eine enorme Beschleunigung der 3D-Darstellung in Ihrem Fabriklayout. Gefühlt kann das „von kaum noch handhabar“ zu „das läuft super flüssig“ reichen. In der Praxis kann diese Möglichkeit unter Umständen über den Erfolg eines Planungsworkshops oder eines Projektes entscheiden.

Weitere Möglichkeiten zur automatischen Vereinfachung von 3D-Modellen – Polygon-Cruncher

Neben der oben beschriebenen Remesh-Lösung, versuchen gewöhnliche Reduzierer jedes einzelne Objekt (Geometrie) in der Baugruppe nur anzupassen und so zu vereinfachen. Bohrungen, Schrauben, auch innen liegende und unsichtbare Teile bleiben oft als kaum noch erkennbare Details erhalten, wenn die Software keine Filterung vornimmt. Grundsätzlich bleiben also alle Einzelteile erhalten. Komplexe CAD-Datensätze können mehrere 10.000 Teile enthalten.

Mit dieser Methode erreichen Sie dann häufig auch nur 50% bis 90% kleinere Modelle, wobei auch hier schon deutlich sichtbare Darstellungsfehler auftreten können. Bekannte Tools der herkömmlichen, auch kantenbasierten Methode, sind u. a.

Es gibt diese Vereinfachungsmöglichkeit quasi in fast jedem mit Polygonen arbeitendem Autorensystem. Auch CAD-Systeme haben häufig die Möglichkeit zur Auswahl eines Detailgrades oder der Auflösung beim Export CAD-Datensätzen. Diese helfen uns aber bei hochkomplexen Produktdaten nur bedingt weiter, weil immer noch zu große Datenmengen im Modell verbleiben. 10% von einer Million Flächen, sind eben immer noch 100.000 Flächen und können bei häufiger Verwendung zum Problem in einem komplexen Fabriklayout werden.

3D-CAD Optimierung bestimmt durch Anwendung

Das soll übrigens nicht bedeuten, das diese Lösungen grundsätzlich schlecht sind. Auch Remesh-Lösungen bieten diese Methode zusätzlich mit an. Sie haben vor allem da eine Daseinsberechtigung, wenn es um die Vereinfachung von komplex vernetzten, organischen geformten Einzelgeometrien geht oder auch im technischen Bereich, wenn die Bauteilstruktur einer Baugruppe weiterhin erhalten bleiben muss. Diese Anforderungen haben aber keine Bedeutung bei der Erzeugung eines sehr einfachen Hüllmodells für die Konzeptplanung einer Fabrik.

Welche Remesh-Software gibt es zur automatischen Vereinfachung von 3D-Modellen?

Grundsätzlich lassen sich Remesh-Lösungen in zwei Lager einteilen. Es gibt Software aus der Unterhaltungsbranche, die vorrangig für optimierte 3D-Assets in Videospielen entwickelt wurden. Dabei spricht man bei den vereinfachten Modellen auch von sogenannten Proxy-LOD. Diese werden in Spielen auf größere Entfernungen automatisch als „Ersatzgeometrie“ eingeblendet um die 3D-Leistung oder Bildwiederholrate zu erhöhen.

Diese Softwarelösungen sind dann neben Standalone-Versionen auch häufig in 3D-Engines wie Unity oder Unreal bereits integriert. Dazu zählen:

Dann gibt es Lösungen die eher technischen Charakter haben, aus dem Multi-CAD-Umfeld entstammen oder allgemein 3D-Inhalte aus allen möglichen Bereichen anvisieren, wie:

Insgesamt kann man sagen, das es bereits sehr ausgereifte und einfach anwendbare Lösungen gibt. Gerade im Bereich von Online-Services für Remeshing ist die Entwicklung aber noch im Gange. Meshlab sei auch nur am Rande als kostenlose Lösung mit Experimentalcharakter in diesem Bereich genannt.

Worauf kommt es bei einer guten Remesh-Lösung für die Konzeptplanung an?

Zusammengefasst sind es vor allem folgende Punkte:

  • Erhaltung der Modellgrenzen oder Aufstellfläche in x, y und z für hohe Planungsgenauigkeit
  • Robustheit und Schnelligkeit – kann auch mit sehr großen Datensätzen (500 MByte und mehr) sehr gut umgehen
  • starke Vereinfachung bis 99% und mehr – entfernt jegliche innenliegenden Details, Bauteile die kaum oder nicht sichtbar sind, sowie typische CAD-Features wie Bohrungen und Rundungen, reduziert homogen mit definierter Auflösung auf ein oder nur eine Hand voll Einzelobjekte
  • UV Texture Atlas – kann ein Bild (Textur) auf Basis des ursprünglichen, detaillierten Modells erzeugen und damit im vereinfachten Modell Details simulieren – erhält die Außendarstellung des Original so gut wie möglich
  • einfache Bedienung – Bearbeitung auf Knopfdruck, einfache Konfiguration weniger Parameter
  • Formatevielfalt – kann viele verschiedene Dateiformate einlesen und auch wieder exportieren
  • lokale Berechnung möglich – unabhängig von nicht geprüften Cloud-Diensten um sensible Daten zu schützen
  • angemessener Preis – abhängig von der Häufigkeit der Nutzung und dem Ergebnis

Die meisten Kriterien erfüllen im Prinzip nur die Lösungen aus der Unterhaltungs-Branche. Simplygon erzeugt beispielsweise in kürzester Zeit ansehnliche und sehr stark optimierte Modelle. Typische Eingabeformate aus dem CAD-Bereich wie STEP oder IGES fehlen hier aber. Eine vorherige Wandlung in Wavefront OBJ zum Beispiel ist also notwendig, damit das Tool arbeiten kann.

Online-Serviceportale als flexible Lösung?

Interessant sind sicher auch Lösungen wie DGG RapidCompact und Meshmatic die wie Online-Serviceportale funktionieren. Dort können Sie Dateien zur Verarbeitung hochladen und das Ergebnis oft schon nach wenigen Minuten herunterladen. Das wirft natürlich datenschutzrechtliche Fragen auf. Unternehmen legen ungern Daten auf einer fremden Cloud ab. Hier bieten DGG oder auch Simplygon lokale Lösungen an. 3D-CAD Daten verlassen somit nicht Ihren Rechner. Es werden zur Abrechnung zum Beispiel nur die Nutzungshäufigkeit an den Anbieter übermittelt. In jedem Fall sollten Sie diese Frage der Datenhandhabung beim Anbeiter im Vorfeld klären, damit Sie keine Überraschungen bei sensiblen Daten erleben.

Komplexe und individuell anpassbare Optimierungslösungen

Die Lösung 3D Evolution Simplifier von Coretechnologie wiederum wird bereits in größeren Unternehmen auch als Standardlösung für die CAD-Daten-Reduktion „über Nacht“ eingesetzt. Diese ist vergleichsweise komplex mit zahlreichen Konfigurationsmöglichkeiten. Sie unterscheidet sich damit von den zumeist einfacher strukturierten Lösungen im Entertainment-Bereich. Anwendungsbereiche dafür sind zum Beispiel das Produktdatenmanagement, wo schlanke 3D-Datensätze zur gemeinsamen Betrachtung im Team benötigt werden. Die Anforderungen sind also sehr ähnlich der einer partizipativen Fabrikplanung mit vielen Beteiligten. Zusammen mit Simplygon zählt sie zu den eher hochpreisigen Lösungen, die eine regelmäßige Nutzung voraussetzen. Ein Pluspunkt hier ist das Einlesen bekannter CAD-Formate wie CATIA, NX, JT, Inventor, STEP, Creo, SOLIDWORKS.

Fazit

Gerade für die Konzeptplanung einer Fabrik können die Proxy-LOD oder einfache Ersatzgeometrien helfen die Komplexität von CAD-Produkdaten in den Griff zu bekommen. Dazu reicht es aus eine einzelne stark vereinfachte Geometrie (Hüllmodell) mit weitgehend erhaltener Farbinformation (Textur-Atlas) und Aufstellfläche als Ergebnis zu erhalten.

Interessant ist, das gerade Lösungen wie Simplygon aus dem Unterhaltungsbereich diese Aufgabe sehr gut meistern, aber andererseits nicht die typischen CAD-Formate unterstützen. Die eher technisch orientierten Lösungen sind teilweise schon wieder zu komplex, um den doch eher einfachen Anwendungsfall adequat abzudecken, bieten aber oft die benötigtem CAD-Schnittstellen (3D Evolution Simplifier, Meshmatic). Nicht zu vergessen sind auch Shrinkwrap-Funktionen in CAD-Systemen, die zum Beispiel zur Erzeugung von vereinfachten Netzen für Simulationsanwendungen gedacht sind. Diese legen zwar keinen Wert auf den Erhalt von Farbinformationen, aber können auch die Komplexität stark reduzieren.

Zwischen Blockfläche und hochwertigem Planungsmodell

Wenn Sie in Richtung Abschlusspräsentation oder Workshop in VR denken, kann eine Remesh-Lösung unter Umständen nicht die gewünschte Qualität liefern. Denn der Detailgrad eines Proxy LOD ist für die Betrachtung aus größeren Entfernungen am besten geeignet. Dann sollten Sie eventuell doch die Zusammenarbeit mit einem professionellen Dienstleister rechtzeitig einplanen. Dieser kann Ihre CAD-Daten, zwar mit deutlich mehr Aufwand, dafür aber in hochwertige, schlanke 3D-Modelle verwandeln.

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Tino Riedel

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