Das Fabriklayout – nur eine CAD-Zeichnung?

Natürlich ist der fragende Titel dieses Blogs rhetorisch. Denn in den letzten Jahrzehnten hat sich sowohl die Art und Weise der Erstellung von Fabriklayouts als auch deren Nutzenpotenzial erheblich verändert. Grund dafür – man ahnt es – die Entwicklungen in IT und Digitalisierung.

Auswirkungen der Digitalisierung auf das Fabriklayout

Schauen wir in die Zeit der Jahrtausendwende, so war das Fabriklayout nur eines von vielen Dokumenten, welches die Fabrik in Aufbau und Funktion beschrieb. Damals trug es tatsächlich den Charakter einer Zeichnung i. S. einer Dokumentation, wo etwas in der Fabrik angeordnet ist. Es war eine im Wesentlichen geometrische Zustandsdarstellung. Häufig wurde diese aus Aufwandsgründen auch lediglich als Grundriss der Maschinenaufstellung zweidimensional ausgeführt. Darüber hinaus waren weitere Dokumente nötig, z. B. Ausrüstungs- bzw. Inventarlisten, Instandhaltungspläne, Raumbücher oder CAM-Informationen zu den Anlagen.

Manager denkt über die Digitalisierung des Fabriklayuts nach.

Technisch sind digitale Fabriklayouts häufig in CAD-Systemen realisiert worden. CAD-Anwendungen waren jedoch ursprünglich als digitale Zeichenbretter entwickelt, d. h. sie sollten technischen Zeichnern ermöglichen, ihre Dokumente computergestützt zu erzeugen. Folglich sind die Datenmodelle und Formate von CAD-Systemen auch heute noch an den Grundanforderungen des technischen Zeichnens orientiert. Linienarten und –stärken, rechnerunterstützte Bemaßungsfunktionen, Umsetzung von Normen des Technischen Zeichnens und Vergleichbares stehen im Fokus.

CAD-Systeme wurden lange Zeit als Universalwerkzeuge jeglicher digitaler Modellbildung sowohl in Architektur als auch im Maschinenbau wahrgenommen und auch verwendet. Zumal mit ihnen zunehmend auch dreidimensional gezeichnet werden konnte. Insofern ist nicht verwunderlich, dass viele Fabriklayouts auch heute noch in CAD-Formaten wie DWG oder DXF vorliegen. Denn mit diesen Formaten ließen sich technische Zeichnungen von Architekten und Fabrikplanern zusammenführen.

Das CAD-System als Universalwerkzeug

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Doch im Zuge der Digitalisierung entwickelten sich neue Anforderungen. Informationen mussten integriert werden, die über den Inhalt einer klassischen technischen Zeichnung hinausgehen. Das geometrische Abbild eines Betriebsmittels und die Vermaßung seiner Dimension und seiner Position in der Produktionshalle entwickelte sich damit vom dominanten informatorischen Kern zu einem von mehreren Bestandteilen eines umfassenderen digitalen Modells der Produktion.

Die Folge ist: Das Fabriklayout verliert im Zuge der Digitalisierung den Charakter einer technischen Zeichnung. Das hat natürlich Auswirkungen. Diese wiederspiegeln sich sowohl in

  • informationstechnischer als auch in
  • organisatorischer

Perspektive in der Layoutplanung. Wir wollen das erörtern.

Der informationstechnische Aspekt des Fabriklayouts

Wenn das zeichnerische Abbild der Produktion um Informationen zu erweitern ist, müssen die IT-Systeme nicht einfach nur leistungsfähiger sein, sondern es ist auch grundsätzlich zu hinterfragen, welche informationstechnische Basis für welche Art von Informationen die geeignete ist. Während die technische Zeichnung eines Fabriklayouts ein Datenmodell für Technisches Zeichnen benötigt, wird dieses für eine umfassendere digitale Modellierung eines Produktionsstandortes nicht mehr ausreichen.

Die Bauindustrie als Vorreiter

Eine Vorreiterrolle kann hier der Bauindustrie zugeschrieben werden. Hier hat man früh erkannt, dass für digitale architektonische Modelle ein Paradigmenwechsel in der Modellbildung nötig ist. Man hat dazu bereits in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts begonnen, Bauwerke in ihre typischen Bausteine zu zerlegen und diese digital zu beschreiben. Terminus technicus hierfür ist die sogenannte objektorientierte Modellierung. Im Ergebnis entstand das objektorientierte digitale Bauwerksinformationsmodell, welches unter dem Kürzel BIM zunehmend Standard in der Bauplanung und –abwicklung wird. International standardisiert ist dieses Modell im ISO-Format IFC (ISO 16739 – Industry Foundation Classes).

Kern bei IFC ist, dass sich jedes Bauteil eines Bauwerks als sogenanntes BIM-Objekt in einer definierten Struktur einordnet. Ähnliche Objekte wurden dazu in Klassen zusammengeführt, wobei jedes einzelne Objekt einer Klasse sich durch seine Eigenschaften von anderen unterscheiden lässt. Eine GUID identifiziert jedes Objekt im Datenmodell. Die Geometrie jedes Bauteils ist bei diesem Modellierungsansatz eine Eigenschaft des BIM-Objekts. Die Gesamtgeometrie des Bauwerks ergibt sich dann also durch Zusammensetzen der einzelnen BIM-Objekte entsprechend der via IFC standardisierten Struktur.

Im Gegensatz zur technischen Zeichnung, wo bedeutungslose Linien erst in ihrem Zusammenhang eine Struktur ergeben, die i. d. R. nachträglich als Information in die digitale Zeichnung eingebracht wird (z. B. als Blöcke), ist bei objektorientierten Modellen wie BIM jede Geometrie von Anfang an einem Objekt zugeordnet.

Dieser Ansatz hat den unschlagbaren Vorteil, dass man bei der Modellerstellung einzelne Bauteile isoliert entwickeln kann. Die Baugewerke nutzen dazu sog. Fachmodelle, z. B. für die Gebäudehülle, die Technische Gebäudeausrüstung oder das Tragwerk. Diese Fachmodelle folgen der IFC-Struktur und lassen sich dadurch in einem Koordinationsmodell miteinander abgleichen.

Der Erfolg dieser Modellierungsstrategie lässt sich an vielfältigen Projekten in aller Welt nachvollziehen. Ohne BIM wären moderne architektonische Ikonen nicht denkbar. Das liegt auch daran, dass an einem solchen Bauwerksentwurf sehr viele hochspezialisierte Experten mitarbeiten müssen, die jeweils eigene spezialisierte Software nutzen. Die dabei entstehenden Fachmodelle lassen sich teilweise gar nicht in die Form einer technischen Zeichnung zwingen.

BIM zur Digitalisierung von Fabriklayouts?

Fabriklayouts sind unter dem informationstechnischen Aspekt Architekturmodellen vergleichbar. Auch ihre Struktur folgt der eines Systems, welches sich aus Elementen konfiguriert. Dennoch gibt es Unterschiede zur Architektur. Objekte eines Fabriklayouts haben andere und vielfältigere Beziehungen zueinander, als die streng einer Bauwerksstruktur unterzuordnenden Bauteile eines Gebäudes.

Möglicherweise ist das auch der Grund, warum die Standardisierung in der Modellierung von Fabrikstrukturen noch nicht so weit voran geschritten ist, dass man bereits einen ISO-Standard dafür nutzen kann. Dies macht es insbesondere den Softwareherstellern schwerer, aufeinander abgestimmte Produkte zu entwickeln. Das Softwareangebot für Fabrikplanung ist daher relativ klein ggü. Lösungen für BIM.

Manche gehen darum dazu über, Fabrikplanung gerade für neue Produktionsstandorte mit BIM-Tools umzusetzen. Dabei tritt aus informationstechnischer Sicht jedoch der gleiche unvorteilhafte Effekt ein, wie beim Zeichnen von Fabriklayouts mit CAD-Systemen: Das digitale Modell passt nicht vollständig zum Objektbereich und kann daher nicht im notwendigen Umfang zur Beantwortung relevanter Fragestellungen genutzt werden.

Der Informationsgehalt eines Fabriklayouts

Lesen Sie hierzu den Blogbeitrag:

Groblayout vs. Feinlayout

Illustration zu den Perspektiven auf Groblayout und Feinlayout in der Layoutplanung

Es wird sich daher in jedem Falle lohnen, bei der Auswahl von Software für das Planen von Fabriklayouts die eigenen Anforderungen genau zu analysieren. Denn das geometrische Abbilden des Layouts und vielleicht einiger relevanter Maschinendaten ist für ein so wandlungsintensives System, wie die Fabrik, in vielen Fällen nur die sprichwörtliche Spitze des Eisberges.

Der organisatorische Aspekt bei der Digitalisierung von Fabriklayouts

Fabriken leben und wandeln sich stetig. Wissen zur Fabrik ist in vielen Köpfen verteilt. Das Fabriklayout schafft dabei einen Orientierungsrahmen. Es visualisiert, wo sich was befindet. Es kann mit heutiger Technologie als digitale Informations- und Kommunikationsbasis nutzbar gemacht werden. Vergleichen wir den Charakter dieses Modells mit einer Landkarte im Wandel der letzten Jahrzehnte, so wird vielleicht deutlich, welche veränderten organisatorischen Anforderungen daraus auch an das Erzeugen von Fabriklayouts entstehen.

Qualifikation der Layout-Ersteller

Eine Landkarte wurde früher von einem Verlag für den jeweiligen Einsatzzweck i. d. R. auf Papier gedruckt veröffentlicht. So gab es z. B. Wanderkarten, Fahrradkarten oder Autokarten. Geo-Informationen wurden dazu gesammelt und mit entsprechendem Fachwissen angereichert präsentiert. Organisatorisch war dieser Prozess funktional geprägt: Sowohl für Entwurf als auch für die Umsetzung der Karte gab es Experten. Während das Redaktionspersonal die Informationen sammelte und aufbereitete, wurde die eigentliche Karte von Druckerei-Fachpersonal oft in mühevoller Kleinarbeit unter Nutzung von Wissen zur Spezifik der Druckereianlagen geschaffen.

Beim Fabriklayout war es ähnlich: Die Informationen zu Geometrie und Standort der Anlagen wurden von diversen Fachleuten bereitgestellt und dann von Fachkräften für CAD in eine technische Zeichnung umgesetzt.

CAD Experte arbeitet an Zeichnung für die Ausführungsplanung für ein Fabriklayout

Heute nutzen sehr viele Menschen keine gedruckten Landkarten mehr, sie vertrauen z. B. auf Google Maps. Fachwissen zum Landkartendruck wird damit in sehr viel geringerem Maße notwendig, ebenso Technik und Organisation dafür.

Genau so hat sich auch die Aufgaben des technischen Zeichnens im Laufe der Jahre gewandelt: Aus einer funktionsorientierten Qualifikation zum Zeichnen beliebiger CAD-Modelle wurde eine objektorientierte. Wir finden heute i. d. R. Entwurf und Modellierung von z. B. technischen Bauteilen in ein und derselben Qualifikation vereint, z. B. als (Teil-) Konstrukteur in der Produktentwicklung oder als Anlagenplaner oder Industrial Engineer in der Produktionstechnik. Die Qualifikationen unterscheiden sich nun nach den zu entwerfenden Objekten, also objektorientiert statt funktional.

Arbeitsteilung beim Erstellen von Fabriklayouts

Damit hat sich auch die Arbeitsteilung verändert. Digitale Modelle werden nicht mehr zentral von einer Handvoll Fachkräften geschaffen, sondern fast jeder digitalisiert etwas: Briefe, Tabellen und natürlich auch Teile des Fabriklayouts. So wird die Arbeitsteilung in der Digitalisierung ebenfalls objektorientiert.

Damit einher geht der Verlust einer relativ zentralen Regelsetzung für das Modellieren selbst. Wenn jeder digitale Modelle erstellt, wird deren Struktur nur von den individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Autoren und dem Regelsatz der verwendeten Software beeinflusst. Digitale Kompatibilität muss folglich durch die Organisation abgesichert werden, solange die verwendete Software nicht Modellierungsstandards nutzen kann, wie das mit IFC für das Bauwesen oben skizziert wurde.

Nun wäre es fatal, dies als Gefahr zu bewerten. Denn gerade in der Gestaltung eines Fabriklayouts ist ja das Fachwissen der Beteiligten gefragt. Zudem haben Untersuchungen gezeigt, das gerade bei der Fabriklayoutplanung Partizipationseffekte ausgezeichnet zu nutzen sind. Vielmehr kommt es also darauf an, die entstehenden digitalen Fragmente für das Fabriklayout intelligent zu verknüpfen.

Das digitale Fabriklayout in der Praxis

In der Praxis bedeutet das, sich an einem hierarchischen Modell des Produktionsstandortes zu orientieren und darin Verantwortungen für einzelne Ebenen bzw. Elemente dieses Systems zu schaffen. Auf diese Art und Weise lassen sich auch bewährte Entwurfsprinzipien für Fabriklayouts organisatorisch umsetzen.

  • Top-down (vom Groben zum Feinen);
  • Bottom-up bzw. Line-back (vom Kern der Wertschöpfung zum Peripheren).
Entwurfsstrategien für Fabriklayouts
Das hierarchische Modell des Fabriklayouts mit grundlegenden Entwurfsprinzipien

Aus organisatorischer Sicht sollten die oberste Ebene des Fabriklayout-Modells lediglich einige wenige Planungs-Experten verantworten. Demgegenüber stehen eine Vielzahl an Fachexperten, die Feinlayouts und Details einzelner Abteilungen oder Produktionszellen modellieren. Diese füllen also die untere Ebene des Modells, und zwar in verteilter Arbeitsweise.

Unser englischsprachiges Video zeigt, wie das mit Hilfe objektorientiert aufgebauter Planungssoftware umzusetzen ist.

Fazit

Betrachtet man die für die Planung eines Fabriklayouts notwendigen Informationen und entwickelt daraus ein digitales Modell, stellt die geometrische Abbildung des Fabriklayouts lediglich die Spitze des Eisberges dar. Dies gilt auch, wenn das Fabriklayout in einem dreidimensionalen CAD-Modell oder in einem BIM-Modell digitalisiert ist. Denn Prozesse in der Layoutplanung sind sehr stark auf Arbeitsteilung und Expertise angewiesen. Beteiligte können bei der gegebenen Komplexität i. d. R. nur Teile der Gesamtinformation erfassen und nutzen, gleiches gilt für die Informationserzeugung für ein Fabriklayout. Werden Sie sich daher der Bedeutung eines digitalen Modells für Ihren Produktionsstandort bewusst und betrachten Sie bei Überlegungen zur Digitalisierung nicht nur die verfügbaren Tools sondern insbesondere die Organisationsentwicklung.

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Thomas Weber
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